Meinung
Reformprozess katholische Kirche

Der Synodale Weg auf einem schmalen Grat

Die katholische Kirche in Deutschland ist in den vergangenen Tagen vor einer historischen Zerreißprobe gestanden. Der Synodale Weg in Deutschland stand nach der unerwarteten Ablehnung eines richtungsweisenden Textes zur Sexualmoral kurz vor dem Aus.

Chefreprter Alois Bierl war bei der vierten Synodalversammlung in Frankfurt vor Ort. © SMB/KSchmid

Ja, die ablehnende Minderheit der Bischöfe hat sich bei der Aussprache über das Papier zur Sexualmoral bedeckt gehalten. Sie hat auch im Vorfeld vielfach geschwiegen. Bei weitem nicht jeder Bischof hat schon vor der vierten Vollversammlung des Synodalen Wegs seine weitgehende Ablehnung so ehrlich und deutlich ausgedrückt, wie etwa der Passauer Bischof Stefan Oster. Und ja, es stimmt, die Mehrheit geht nicht immer geduldig und verständnisvoll mit dieser Minderheit um. Die spart ihrerseits nicht mit scharfen oder kalten Worten und einer kulturkämpferischen Festungsmentalität. Georg Bätzing ist es in spontanen Krisensitzungen gelungen, nicht allein den Synodalen Weg, sondern auch die Deutsche Bischofskonferenz vor dem Auseinanderbrechen zu bewahren, deren Vorsitzender er ist. Nach diesen Krisensitzungen konnten die weiteren richtungsweisenden Texte des Synodalen Weges tatsächlich mit einer Zweidrittel-Mehrheit auch seitens der anwesenden Bischöfe verabschiedet werden. Allerdings mit vielen Enthaltungen.

Bischöfe bekannten Unsicherheit

Trotzdem war in den Aussprachen nach dem Eklat eines zu spüren: Etliche Bischöfe, die den Synodalen Weg für einen kaum gangbaren Trampelpfad halten, wollen ihn trotz schwerer Bedenken weiter mitgehen und nicht zum Ausgangspunkt zurückkehren. Weil ihnen bewusst geworden ist, dass die katholische Kirche in Deutschland dann getrennte Wege gehen könnte, die vielleicht nie wieder zusammenführen. Es war berührend, wie manche Bischöfe aus dem Minderheitslager ihre Unsicherheit einbekannten. Sie haben gezeigt, dass es sie nicht kalt gelassen hat, wenn homosexuelle Katholiken sich gleich zu Beginn der Synodalversammlung wieder einmal von ihrer Kirche in ihrem So-sein abgelehnt und im Innersten getroffen fühlten. Die dabei teilweise vergossenen Tränen mögen unprofessionell erscheinen. Sie zeigen aber, dass die Synodalversammlung eben keine politische Veranstaltung ist. Es geht um mehr als ums Rechthaben, Durchsetzen von Positionen oder Lobbyinteressen.  

Kann die Kirche existentielle Anliegen irgnorieren?

Es geht um existentielle Anliegen und wie sie in der kirchlichen Lehre einen Ausdruck finden. Und zwar mit dem Blick auf die Zeichen der Zeit, in diesem 21. Jahrhundert. Die kirchliche Lehre wirkt auf viele Gläubige eng, starr und von Klerikern dominiert. Katholisch heißt im Wortsinn aber allumfassend. Kann die Kirche dann bestimmte sexuelle Orientierungen einfach weiterhin ausgrenzen, die Forderung nach Frauen in Weiheämtern oder nach mehr Mitspracherechten für das Glaubensvolk ignorieren? Die vierte Synodalversammlung hat es immerhin geschafft, miteinander auf dem Weg zu bleiben. Dieser Weg ist ein schmaler Grat, rechts und links davon liegen Abgründe. Es ist eine gemeinsame Aufgabe, dafür zu sorgen, dass niemand abstürzt, die Hand zu reichen, zu akzeptieren, wenn jemand innehalten muss. Wer aber überhaupt keinen Schritt weitergehen möchte, fordert Stillstand und muss sich fragen lassen, ob er oder sie tatsächlich Teil dieser Weggemeinschaft sein will.

Der Autor
Alois Bierl
Chefreporter Sankt Michaelsbund
a.bierl@michaelsbund.de