In Kolkata noch heute allgegenwärtig

Der Geist von Mutter Teresa

Als Mutter Teresa 1950 den Orden der Schwestern der Nächstenliebe gründete, hieß der Ort, an dem sie das gemacht hat, noch Kalkutta. So hatten die britischen Besatzer die Stadt in Indien genannt. Heute heißt sie wieder Kolkata. 4,5 Millionen Einwohner hat die Hauptstadt des Bundestaates Westbengalen. Davon sind weniger als ein Prozent Christen. Doch eine Christin ist allgegenwärtig.

Armenviertel in Kolkata © missio/stark

Mutter Teresa prangt sogar als Graffiti an Mauern. Antje Pöhner war im Frühjahr für missio München in ganz Indien unterwegs. In anderen Landesteilen hat sie überall große Plakate mit dem Konterfei von Premierminister Narendra Modi gesehen. „Aber der ist in Kolkata, soweit wir das gesehen haben, überhaupt nicht präsent.“ Seit er 2014 an die Macht gekommen ist, strebt er einen nationalistischen Hindu-Staat an. Das macht das Leben für die Minderheiten im Land nicht leichter.

missio-Partner in Angst

Die Projektpartner, die die missio-Redakteurin in anderen Landesteilen besucht hat, wirkten oft unsicher: „Wir haben gemerkt, dass sie einfach große Angst hatten und nicht genau wussten, wo können sie uns hinlassen, wo bringen sie uns in Gefahr, womit geraten sie womöglich selbst in Gefahr.“ Offene Drohungen gibt es nicht. Aber in vielen Bundesstaaten gibt es zum Beispiel Gesetze, die es verbieten, zu einem anderen Glauben zu konvertieren. „Das ist natürlich eine große Auslegungssache. Die können immer sagen, ihr wolltet doch hier jemanden zum Christentum konvertieren. Unsere Partner haben einfach Angst, irgendwie in den Verdacht zu geraten.“

Ganz anders war die Stimmung in Kolkata. Hier hatte niemand Angst, sich mit Christen sehen zu lassen. Die Journalistin hat in den Slums über die wirklich hässlichsten Fratzen der Armut berichtet.

Kinderhandel in den Slums

„Man hat uns erzählt, die Kinder gehen nachts immer zu den Truckern oder werden von den Eltern dorthin vermittelt oder von Männern angesprochen, ob sie sich nicht was dazu verdienen wollen.“ Für 50 Rupien – umgerechnet 62 Cent – pro Stunde prostituieren sich Kinder ab acht Jahren, Mädchen wie Jungen.

Antje Pöhner war mit Schwestern eines anderen Ordens unterwegs und hat gefragt, wie Eltern das zulassen können und eine Schwester hat geantwortet: „Wenn du Hunger hast, wenn du einfach nichts im Magen hast, wenn du nicht weißt, was du essen sollst, wenn du im Müll schon alles durchforstet hast, dann sind 50 Rupien ein Leben.“

Die Schwestern haben eine Schule für die Kinder und bieten den Müttern Ausbildungen an, damit sie dem Kreislauf der Armut entfliehen können. Doch sie können nicht allen helfen. Trotzdem ändert ihre Anwesenheit etwas, erzählt die Journalistin: „Als wir durch den Slum gegangen sind, haben die Menschen mit den Schwestern gescherzt und gelacht. In dieser Atmosphäre gibt es einfach Kraft, wenn jemand da ist, der dich als Mensch wahrnimmt.“

Das ursprüngliche Christsein

Ein Gedanke, der auch von Mutter Teresa hätte kommen können. Anders als die Schwestern, mit denen Antje Pöhner in den Slums unterwegs war, hat sie nie Hilfe zur Selbsthilfe gelehrt, was ihr oft vorgeworfen wurde.

Im Mutterhaus von Mutter Teresa und in dem ersten von ihr gegründeten Sterbehaus ist der missio-Redakteurin klar geworden: „Das ist dieses ursprüngliche Christsein, diese Nächstenliebe. Sie hat ja immer gesagt: wir wollen einfach nur da sein, die Menschen berühren, einfach nur zeigen, du bist nicht allein. Und diesen Geist, den habe ich in Kolkata total gespürt.“

Und das sogar noch 25 Jahre nach dem Tod der kleinen, alten Frau, die zu ihren Lebzeiten so viele in ihren Bann gezogen hat.

Podcast-Tipp

Reisewarnung!

Antje Pöhner erzählt im Podcast "Reisewarnung!" von ihrer Indienreise.

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Die Autorin
Brigitte Strauß-Richters
Radio-Redaktion
b.strauss-richters@michaelsbund.de