Angriff auf Ukraine

Debatte um Papst und Waffenlieferungen

Ein Interview mit Papst Franziskus zum Ukraine-Krieg stößt auf sehr unterschiedliche Reaktionen. Zudem verschärft sich in Deutschland die Kontroverse um Waffenlieferungen.

Papst Franziskus © IMAGO/Independent Photo Agency Int.

Ein Interview mit Papst Franziskus in der italienischen Zeitung "Corriere della Sera" zum Ukraine-Krieg stößt auf sehr unterschiedliche Reaktionen. Während die russisch-orthodoxe Kirche dem Papst am Mittwoch einen "unkorrekten Ton" vorwarf, kritisierten insbesondere Stimmen in Deutschland, Franziskus benenne Russland nicht klar genug als Aggressor. Unterdessen verschärft sich in Deutschland die Kontroverse um Waffenlieferungen an die Ukraine.

Im Gespräch mit dem "Corriere" (Dienstag) hatte Franziskus seine Bereitschaft betont, nach Moskau zu reisen, um Präsident Wladimir Putin zu treffen. Zugleich erklärte er die Absage eines eigentlich für 14. Juni vorgesehenen Treffens mit dem Moskauer Patriarchen Kyrill I. Dieser dürfe sich "nicht zum Messdiener Putins machen", so das katholische Kirchenoberhaupt mit Blick auf Kyrills Unterstützung des Angriffs auf die Ukraine. Das Außenamt des Moskauer Patriarchats wies die Kritik zurück; solche Äußerungen behinderten einen "konstruktiven Dialog" zwischen den beiden Kirchen, "der besonders in der jetzigen Zeit notwendig" sei.

Sanktionen gegen Patriarchen

Die EU-Kommission schlägt in ihrem sechsten Sanktionspaket laut Medienberichten von Mittwoch neben vielen anderen Maßnahmen ein Einreiseverbot für Kyrill I. und das Einfrieren seines Vermögens vor.

In dem "Corriere"-Interview übte Franziskus auch deutliche Kritik an der Politik der Nato. Hinter jedem Konflikt stünden "internationale Interessen". Vielleicht habe "das Bellen der Nato an Russlands Tür" Putin dazu gebracht, den Konflikt auszulösen, gab der Papst zu bedenken. Dieser Konflikt sei von außen geschaffen worden. Er könne nicht sagen, ob es richtig sei, die Ukraine jetzt mit Waffen zu versorgen, so Franziskus.

Theologen üben Kritik an Franziskus

Deutsche Theologen riefen den Papst auf, sich deutlicher auf die Seite der Ukraine zu stellen. "Der Papst diskreditiert sich und die katholische Kirche, wenn er den Angreifer nicht benennt", sagte der Münsteraner Osteuropa-Experte Thomas Bremer dem Online-Magazin "Kirche-und-Leben.de". Die Berliner Theologin Regina Elsner nannte es problematisch, dass Franziskus mit Putin sprechen will. "Ich glaube nicht, dass irgendjemand gerade noch Einfluss auf Putin nehmen kann", sagte sie dem Internetportal domradio.de.

Unterdessen appellierte der Pax-Christi-Bundesvorstand an die Bundesregierung, im Bemühen um einen sofortigen Waffenstillstand voranzugehen. Berlin müsse alle diplomatischen Kanäle ausschöpfen. Besorgt äußerte sich die kirchliche Friedensorganisation über Waffenlieferungen und eine mögliche Eskalation des Konflikts. "Wir stellen mit Entsetzen fest, dass Kriegsrhetorik und Kriegslogik in der Politik und in der Presse mittlerweile selbstverständlich geworden ist." In letzter Konsequenz drohe der Einsatz atomarer Waffen.

Intellektuelle für Waffenlieferungen

Als Reaktion auf den jüngsten Offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit Warnungen vor der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine und einem dritten Weltkrieg liegt derweil ein weiteres Schreiben vor. In der "Zeit" sprechen sich Intellektuelle für kontinuierliche Waffenlieferungen an die Ukraine und die Ausweitung der Wirtschaftssanktionen auf den Energiesektor aus.

"Angesichts der Konzentration russischer Truppen im Osten und Süden der Ukraine, der fortgesetzten Bombardierung der Zivilbevölkerung, der systematischen Zerstörung der Infrastruktur, der humanitären Notlage mit mehr als zehn Millionen Flüchtlingen und der wirtschaftlichen Zerrüttung der Ukraine infolge des Krieges zählt jeder Tag", heißt es in dem neuen Offenen Brief. Zu den Unterzeichnern gehören etwa der Publizist und frühere Grünen-Politiker Ralf Fücks, die Ex-Bundesbeauftragte für Stasi-Unterlagen Marianne Birthler, die Autorin Eva Menasse und der Verleger Mathias Döpfner.

Der Krieg in der Ukraine bleibt für eine Mehrheit der Deutschen das wichtigste Thema. 84 Prozent nannten in einer am Mittwoch veröffentlichten Forsa-Umfrage den Krieg. 70 Prozent der Befragten gaben zudem an, dass der Krieg nur durch Verhandlungen zu beenden sei. (Christoph Schmidt/kna)