Mariensäule München

Das wahre Herz Bayerns

Die Mariensäule im Zentrum Münchens feiert in diesem Jahr gleich zwei Jubiläen. Und sie wird auch künftig den Freistaat zentrieren, da sie nicht nur der spirituelle, sondern auch der geographische Mittelpunkt des Landes ist.

Die Mariensäule vor den Türmen des Münchner Liebfrauendoms © imago images/imagebroker

München - Mit seinem eigenen Blut unterschrieb er den Vertrag, in dem er sich ganz der Muttergottes überantwortete: Kurfürst Maximilian I., der die Mariensäule 1638 errichten ließ. Und zwar aus Dankbarkeit wegen des Wunders von München“, erklärt Christopher Weidner einer bunten Schar von Neugierigen. Sie haben seine Tour „ Mystisches München“ gebucht. Der Historiker selbst bezeichnet sich als Stadtspürer. Denn es geht ihm darum, den Geheimnissen der Isarstadt auf die Spur zu kommen. Der Mystik Münchens nachzuspüren. Symbole zu entschlüsseln. Geschichten hinter der Geschichte zu erzählen. Wie diese:

Es war ein Wunder, dass Schwedenkönig Gustav II. Adolf damals im Dreißigjährigen Krieg entgegen der Absicht seiner Heerführer das besetzte München nicht zerstören ließ. Bei der Einweihung der 14 Meter hohen Säule, erzählt Weidner, ließ der bayerische Kurfürst dafür eine geheimnisvolle Schatulle mit wertvollen Reliquien unter der Krone der Madonna platzieren, wo sie sich heute noch befindet. Immer wieder wurde seither gerade in Notzeiten der Schutz der Patrona Bavariae angerufen: 1854 etwa, als die Cholera in München wütete. Nicht von ungefähr überwindet einer der vier Heldenputti am Fuß der Säule ein Ungeheuer, das die Pest symbolisiert. Die drei anderen stellen Hunger, Unglauben und Krieg dar.

20.000 Katholiken bei Wiedereinweihung

Als 1943 der Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs auf München niederging, wurde die vergoldete Bronzestatue Mariens im Liebfrauendom in Sicherheit gebracht. Doch schon am 18. November 1945, also vor 75 Jahren, weihte Kardinal Michael von Faulhaber die Statue erneut ein. Als Zeichen, dass im Land nicht länger die Nazis regieren, sondern die Patrona Bavariae. Rund 20.000 Katholiken wohnten der Feier bei. Sie standen sprichwörtlich auf den Ruinen der Stadt.

Noch ein zweites Mal verließ Maria ihren angestammten Platz. 1966, als die U-Bahn gebaut wurde, musste die gesamte Säule vorübergehend entfernt werden. 1970, also vor genau 50 Jahren, wurde sie dann wieder feierlich eingeweiht, diesmal von Kardinal Julius Döpfner. Die renovierte Säule wurde übrigens 70 Zentimeter neben dem ursprünglichen Ort wieder aufgebaut. Ob das eine Rolle spielt, da die Mariensäule ja auch der metrische Nullpunkt Bayerns ist? Alle Entfernungen werden von ihr aus genau gemessen. „Seither behaupten spitze Zungen jedenfalls, dass die Verhältnisse in Bayern nicht mehr so richtig stimmen“, schmunzelt Arnold Kretschmer, der Obmann des Marmormuseums Adnet. Aus diesem Ort südlich von Salzburg stammt die Säule. Abgebaut wird dieser Marmor seit der Römerzeit. Und wertgeschätzt wird er seit dem Mittelalter in ganz Europa. Es war eine unglaubliche Leistung, die Säule auf Pferdefuhrwerken anzukarren. Die Besonderheit dieses Steins war es wert. „Denn diese intensive rote Farbe des Adneter Marmors steht immer schon für Macht, Reichtum und Liebe“, erklärt Kretschmer.

Magnet auch für Päpste

Seit Jahrhunderten ist dieses Wahrzeichen der Stadt nun ein Magnet. Nicht nur für viele Gläubige, die dort jeden Samstag den Rosenkranz beten. Sondern auch für Päpste, die hier knieten: Pius VI. bereits im Jahr 1782, Johannes Paul II. dann 1980, und Benedikt XVI. am 9. September 2006. Er erflehte den Segen der Muttergottes „nicht nur für das liebe Bayernland, sondern für die Kirche der ganzen Welt“.

Traditionell werden hier auch die Erzbischöfe von München und Freising in der Landeshauptstadt begrüßt. Bei Kardinal Reinhard Marx geschah dies am 30. Januar 2008. Er betete zur Schutzherrin Bayerns: „Die Streitenden versöhne, die Müden erwecke; gib den Misstrauischen ein offenes Herz, den Zaudernden Mut, uns allen aber die tröstende Zuversicht unseres Glaubens.“

Zeitzeugin auch in harten Zeiten

Und jetzt, in den schweren Stunden dieses Jahres, vertraut das offizielle „Diözesane Gebet in Zeiten der Corona-Krise“ auch „auf die Fürsprache der Seligen Jungfrau Maria, die mit uns in schweren Zeiten auf dem Weg ist: Maria, Heil der Kranken, bitte für uns!“ Dieses Gebet senden Gläubige gerade jetzt wieder jeden Tag nach oben. Meist bereits frühmorgens, hier im wahren Herzen der Stadt. So wird die Mariensäule auch heute noch der Rolle gerecht, die sie in Bayern immer schon spielt: als Zeitzeugin zu bestehen, in guten und in harten Zeiten. Und als zentrale Glaubenszeugin den Mittelpunkt des Freistaats zu bilden. (Christoph Santner/Christine Papadopoulos)