Schriftbetrachtung

Das sagt die Bibel über die Zukunft

Glauben heißt: hoffnungsvoll das Jetzt gestalten. In diesem Sinne hat der Kapuziner Bernd Kober fünf Verse des Alten und Neuen Testaments auf die Zukunft hin betrachtet.

In der Bibel finden sich Aussagen über die Zukunft. © Sergio Yoneda - stock.adobe.com

Als Ordensmann und Seelsorger hier in Deutschland musste und muss ich mich viel mit der Vergangenheit beschäftigen. Wir sorgen für alte Gebäude und Kirchen, erhalten und sanieren Kostbarkeiten einer aus dem Glauben heraus schöpferischen Vergangenheit, wir feiern in alten Riten und Gewändern und versuchen, ohne schmerzhafte Schnitte überkommene Strukturen zu retten. Von manchen Zeitgenossen werden denn auch Christentum und Kirche als gestrig betrachtet. Religion scheint das Überbleibsel aus einer vorwissenschaftlichen Zeit zu sein.

Die Bibel blickt nach vorne

Die Urkunde unseres Glaubens, die Bibel, blickt vielmehr in eine andere Richtung – und wenn man uns Christen oder Katholiken als rückwärtsgewandt betrachtet, können wir nur uns selbst fragen, ob wir dazu Anlass geben. Die Frauen und Männer, die uns in den Büchern der Heiligen Schrift Zeugnis von ihren Gotteserfahrungen geben, sie blicken nach vorn! Glauben heißt: hoffnungsvoll das Jetzt gestalten. In diesem Sinne will ich fünf Verse des Alten und Neuen Testaments betrachten – hoffnungsvoll, auf die Zukunft hin.

  • Denn ich, ich kenne die Gedanken, die ich für euch denke ..., Gedanken des Heils und nicht des Unheils; denn ich will euch eine Zukunft und eine Hoffnung geben. (Jer 29,11)
    Diese Worte des Jeremia treffen heute in eine Gegenwart, in der wir uns um das Morgen Sorgen machen. Wer versteht die gegenwärtigen Krisen; wer versteht, dass wir an vielen Stellen das Wissen zur Verfügung haben, mit dem wir diese Krisen bewältigen könnten – aber dieses Wissen nur zögerlich anwenden? Diese Instrumente, dieses Wissen birgt so viel Heilvolles! Und dieses Heilvolle ist ein Spiegel der heilvollen Gedanken Gottes mitten in uns. Gott gibt die Instrumente – spielen darf der Mensch. Wo das geschieht, klingt das Leben. Vielleicht kennen Sie solche Lebensklänge, die Lust machen auf mehr, auf ein Morgen, auf eine Zukunft!
     
  • Sorgt euch also nicht um morgen; denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen. (Mt 6,34)
    Es ist vernünftig, für die Zukunft vorzusorgen. Es ist liebevolle Solidarität, für jene zu sorgen, die morgen auf dieser Erde leben. Trotzdem bleibt ein Schatten auf der Zukunft. Immer kann es plötzlich ganz anders kommen. Wir haben die Zukunft nicht in der Hand. Das Heute gestalten, als wäre es der erste und zugleich der letzte Tag unseres Lebens – zu dieser Weisheit raten schon die Wüstenväter und -mütter. Die Sorge um den morgigen Tag kann den Menschen entfernen von der Gegenwart. Wir schauen aufs Übernächste – und verlieren dabei die Achtsamkeit für den, der jetzt unsere Schwester, unser Bruder ist. Die Sorge um das, was gestern richtig und wichtig war, verhindert hier und da die Antwort, die heute gegeben werden muss – und lässt uns verstummen. Die Ohren sind zu sehr erfüllt von den gestrigen Stimmen und dem, was vielleicht morgen gesagt werden wird. Jeder Tag aber hat seinen eigenen Ruf – und fordert eine eigene Antwort.
     
  • Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat. (Apg 1,7)
    Wir wissen nichts. Wir wissen nicht, ob wir die kommende Stunde, den nächsten Tag, das nächste Jahr noch erleben. Wir wissen nicht, wie lange dieses und jenes Glück andauert, wie lange wir dieses und jenes durchstehen und durchtragen sollen. Immer schon hat der Mensch versucht, zu planen und sich Sicherheit zu verschaffen – Pläne und Sicherheiten aber sind plötzlich wie Sand zwischen den Fingern zerronnen. Wer glaubt, vertraut auf einen Gott, der all dies Unsichere, all das Zerrinnende in seiner Hand birgt und zusammenfügen kann. Das kann nur er machen. Diese Macht besitzt nur er.
     
  • So sammeln sie sich einen Schatz als sichere Grundlage für die Zukunft, um das wahre Leben zu erlangen. (1 Tim 6,19)
    Was sind die Schätze, die grundlegend sind für eine gute Zukunft? Vieles sammelt einer, das am Ende alles zurückbleibt. Den größten Schatz birgt der Mensch schon tief in sich. Das große Wort vom „Herzen“ des Menschen kennzeichnet diesen Schatz. Unzählbares kann hier ausgeteilt werden. Dieses Herz kann sich einfühlen, kann sich anderen verbinden, kann mitleiden und auch Freude empfinden – oder auch steinhart und verschlossen sein. Verschlossene Tore öffnen keinen Weg, weder hinein noch hinaus. Verschlossenheit heißt Verteidigung – in der Zukunftsvision der Bibel aber sind die offenen Tore der heiligen Stadt (Offb 21,25) das Lebendigste und Schönste, das dem Menschen verheißen ist. Hier muss nichts verteidigt oder geschützt werden. Und das kann er schon im Jetzt erfahren und leben. Lasst uns diesen Schatz füreinander heben!
     
  • Ihr wisst doch nicht, was morgen mit eurem Leben sein wird. Rauch seid ihr, den man eine Weile sieht; dann verschwindet er. (Jak 4,14)
    Es bleibt ein ernster Grundton in unseren Zukunftsversen aus der Bibel. Der Mensch ist nicht Herr der Zeit. Er ist Gast auf dieser Welt. Sein Leben ist ihm anvertraut. Wir alle gehen auf den Moment zu, da wir dieses Leben nicht mehr festhalten können. Wir ‚lassen‘ es. Oder wenn wir vertrauensvoll sprechen: Wir überlassen es. Wir überlassen es dem, der es uns anvertraut hat. Er empfängt uns am Ende unserer Tage. In der offenen Stadt ohne Tore, wo das Leben fließt, wo alle Egoismen verklungen sind, wo das Lebenslied gesungen wird. Wenn wir die Melodie schon hier beginnen zu summen, erwacht die Freude am Jetzt, wächst hier die Lebendigkeit und die Lust aufs Morgen. Ewig. (Bernd Kober, Kapuziner und seit 2021 Kirchenrektor an der Liebfrauenkirche in Frankfurt am Main)

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