Liebesnest mit Widerhaken

Daniel Wisser: Wir bleiben noch

Ein Familienroman, in dem sich eine leicht märchenhafte Liebesgeschichte, der Blick auf die politische Stimmung und ein humorvoller Grundton zu einer wunderbaren Mischung fügen.

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Im Mittelpunkt ein Haus am Waldrand nahe Wien – seit Jahrzehnten das Zentrum der Familie und dessen neue Bewohner, Cousine und Cousin. Sie lassen sich dort gemeinsam nieder um sich ein Leben nach ihrem Gusto aufzubauen, weg aus der Großstadt, mit Abstand zur Familie, in der sie fast genauso viele Unaufrichtigkeiten aufdecken werden, wie in der Politik, nur dass die natürlich schmerzhafter sind. Ist so ein Glück allein zu zweit möglich und kann man es so erzählen, dass es auf die Leser überspringt in Form von gut gelaunter Lesefreude? Bei mir hat das jedenfalls geklappt.

Der Roman lebt von den Dialogen zwischen Victor und Karoline, manchmal sind es auch Chatverläufe mit Emojis garniert. Sie geben der Geschichte ihren Schwung, binden Ereignisse aus der Erzählzeit ein, wie das Ibiza- Video und seine politischen Folgen. Der heitere Dialogton schafft ein Gegengewicht zu den Geschichten aus der Familie. Viele davon sind originelle Anekdoten, manche aber auch schwer.

Daniel Wisser hat 2018 für den Roman »Königin der Berge« den Österreichischen Buchpreis bekommen. Er schreibt neben Romanen auch Prosa, Gedichte und Songtexte. So ist er auf You-tube auch zu erleben als Sänger und Musiker des Ersten Wiener Heimorgelorchesters, das sich durchaus auf den Wiener Schmäh versteht. Daniel Wisser ist geborener Klagenfurter und lebt in Wien.

Wie bekommt man eine gute Liebesgeschichte noch hin, das habe ihn für diesen Roman am meisten beschäftigt, berichtete der Autor bei der Buchpremiere. Gut, dass er sich da so viele Gedanken gemacht hat, denn er hat so finde ich, den richtigen Dreh gefunden. Eine Mischung aus amour fou und Märchen, Victor und Karoline gegen den Rest der Welt oder eben der Familie. Die Beziehung der beiden ist unvernünftig, sehr zärtlich und  voller Begehren -  aus paartherapeutischer Sicht bestimmt ganz und gar unrealistisch, aber gerade deswegen eben so schön, und gerade nicht zu perfekt.


Buchtipp

Daniel Wisser: Wir bleiben noch

Luchterhand, 480 S.

22 € inkl. MwSt.

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