Seine Augen glänzen, wenn er darüber spricht, denn die schillernde Welt der Düfte ist nicht nur eine Welt für sich, sondern auch ein Stück die seinige. „Man geht anders durch das Leben, wenn man gut riecht“, versichert er und erzählt von arabischen Prinzessinnen, denen er ganz besondere Parfums verkaufte, und von seinen Einladungen nach Abu Dhabi, die er nie annahm. Heute bereut er es ein bisschen.
Dieses Jahr wurde dann alles anders, denn Corona wirbelte, wie bei so vielen, sein Leben durcheinander: Seit dem ersten Lockdown bekam er keine Verkaufseinsätze mehr und hat bislang keine Aussicht auf eine Wiedereinstellung.
Ein Kaffee ist Luxus
Andreas R. konnte seine laufenden Kosten nicht mehr stemmen und Schulden sammelten sich an. Als nichts mehr ging und er nächtelang grübelnd wachlag, suchte er sich Hilfe bei der Caritas. „Es kann wirklich jeden treffen“, erzählt Stephanie Filß, seine Schuldner- und Insolvenzberaterin bei der Caritas München Mitte. „Leider kann man das, was Herrn R. widerfahren ist, zurzeit als einen typischen Fall bezeichnen. Viele Rentner versuchen mit Nebenjobs ihre geringe Rente aufzustocken, doch durch Corona fallen diese nun alle weg.“
Für Andreas R. läuft es jetzt auf ein Privatinsolvenzverfahren hinaus. Seit einigen Monaten muss sich der alleinstehende und kinderlose Rentner auf ein komplett anderes Leben einstellen. Seine Anzüge lagern mittlerweile unberührt im Keller und den Großteil seiner Parfum-Sammlung hat er auf ebay verkauft. Er hat monatelang auf ein Zugticket nach Weimar gespart, um einer langjährigen, schwererkrankten Freundin beizustehen.
Der kleine Luxus, den er sich ab und zu noch gönnt, ist mal ein Kaffee beim Bäcker, wenn er mit seiner Jack-Russel-Hündin spazieren geht. „Es sind nun andere Dinge wichtiger geworden, Freundschaften und das Zwischenmenschliche“, erzählt er.
Dankbar trotz anfänglicher Scham
Trotzdem kostete ihn am Anfang vieles Überwindung, vor allem der Gang zur Tafel und das Gefühl, auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein. Filß bestätigt, dass vor allem die Scham und der eigene Stolz viele Menschen davon abhält, sich überhaupt Hilfe, die einem in so einer Situation zusteht, zu suchen.
Andreas R. hingegen ist trotz seiner anfänglichen Berührungsängste sehr dankbar: „Die Caritas und die Tafel helfen mir wirklich sehr.“ Er hat sogar seine Unterstützung bei der Essensausgabe angeboten, denn er möchte etwas zurückgeben. Mittlerweile hat er sich in seinem neuen Leben so gut es geht eingerichtet.
Ein einziger Wunsch
Doch einen Blick in die Zukunft mag er zurzeit nicht wagen. Die Hoffnung, in der Vorweihnachtszeit wieder hinter der Verkaufstheke zu stehen, hat er aufgegeben. Einen Wunsch hat er dennoch: Er möchte noch einmal eine kleine Reise nach Bulgarien machen. Seit zehn Jahren fuhr er mit seiner Weimarer Freundin, die nun an Krebs leidet, ans Schwarze Meer: „Wir fahren immer in denselben Ort, in dasselbe Hotel und haben immer dieselben Zimmer. Das wäre nochmal schön.“ Dieses Jahr sind sie das erste Mal nicht gefahren. (Eileen Kelpe, Volontärin beim Sankt Michaelsbund)