München – Auf dem vergilbten Vereinsregister ist es in Maschinenschrift belegt: Am 10. Februar 1922 wurde der Caritasverband der Erzdiözese München und Freising gegründet, hervorgegangen aus dem Katholischen Ortscaritasverband. Damals herrschte nach dem Ersten Weltkrieg Nahrungsknappheit und Armut – die Caritas packte an und versorgte Hungernde mithilfe von Gulaschkanonen. Heute, 100 Jahre später, steht der Verband vor neuen Herausforderungen. Caritasdirektor Hermann Sollfrank, Vorständin Gabriele Stark-Angermeier und Vorstand Thomas Schwarz leiteten das Jubiläumsjahr in einem Pressegespräch ein – und trotz des feierlichen Anlasses, wurde auch die Sorge um die Zukunft deutlich.
Der soziale Arm der katholischen Kirche
„Waren vor 100 Jahren Krieg und Vertreibung die Auslöser für Not und Elend, ist es heute ein weltumspannendes Virus“, stellt Sollfrank fest und sieht Corona als Beschleuniger sozialer Ungleichheit, die die Arbeit der Caritas stark forderten. Auch die Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens im Januar hat in der Erzdiözese Wellen geschlagen, die auch den Verband erfassten – ideell und finanziell. „Wie werden wir uns als Caritas, die sich als sozialer Arm der katholischen Kirche versteht, aufstellen, wenn diese Kirche als Institution immer mehr in Frage gestellt wird?“, merkt der Caritasdirektor an und plädiert für eine konsequente Aufarbeitung der Missbrauchsfälle. Auch in Hinblick auf die Bewegung „OutinChurch“ (Initiative und Comingout von queeren Mitabeitenden der katholischen Kirche, Anmerkung der Redaktion) forderte er die Weiterentwicklung der christlichen Unternehmenskultur und des kirchlichen Arbeitsrechtes. Hierbei könne die Kirche auch von der Caritas lernen, die die gesellschaftliche Pluralität bereits unter ihren Mitarbeitenden abbilde: „Die Caritas will offen und will vielfältig sein. Das wünsche ich der Kirche auch.“