Folgen der Pandemie

Caritas: Psychische Belastungen durch Corona zugenommen

Defizite bei Kindern, Vereinsamung bei älteren Menschen, Erschöpfung bei den systemrelevanten Berufsgruppen - Die Coronapandemie belastet die mentale Gesundheit vieler Menschen stark.

Die Pandemie bringt große psychische Belastungen für viele Menschen mit sich. © eshma - stock.adobe.com

München – Beim digitalen Fachtag „Psychische Belastungen während der Pandemie – Isolation, Migration, Flucht“ machte der Caritasverband der Erzdiözese München und Freising auf die mentalen Folgen der Coronapandemie aufmerksam. „Corona hat die Vereinsamung älterer Menschen verstärkt, Menschen in Armut noch ärmer gemacht und psychische Probleme ganz generell vergrößert“, konstatierte Caritas-Vorständin Gabriele Stark-Angermeier.

Betroffen von den Auswirkungen der Pandemie seien auch Familien, Kinder und Jugendliche, zum Beispiel durch Isolation aufgrund der Kontakteinschränkungen oder mangelnde digitale Teilhabe. Für Migranten sei die Situation besonders schwierig, weil sie vermehrt unter prekären sozioökonomischen Bedingungen lebten. „Auch viele Geflüchtete in beengten Unterkünften konnten sich vor dem Virus nicht adäquat schützen und isolierten sich noch mehr als vor Corona“, resümierte Stark-Angermeier.

Von psychischer Belastung zu chronischer Erkrankung

„Als wir diesen Fachtag geplant haben, hofften wir alle, dass die Pandemie nach anderthalb Jahren endlich ein Ende finden würde. Leider zeigen uns die aktuellen Zahlen gerade eine andere Entwicklung auf“, sagte Wiltrud Wystrychowski, Leiterin des Psychologischen Dienstes für Ausländer der Caritas in München. „Die Hilfesuchenden werden deutlich mehr. Abgeschlossene Fälle melden sich wieder und viele neue Fälle sind in großer Not und brauchen schnelle Hilfe.“

Aus psychischen Belastungen seien chronische Erkrankungen entstanden. „Kinder wurden durch monatelanges Homeschooling abgeschnitten vom Bildungserwerb.“ Senioren seien isoliert und würden vereinsamen. Junge Erwachsene könnten nicht unbeschwert ihre Jugend genießen. „Und wir, die Helfer/-innen, Berater/-innen, Psychologen/-innen  – auch wir sind durch die Pandemie belastet, erschöpft und müde und versuchen dennoch tagtäglich mit aller Kraft für unsere Klientel da zu sein“, beschrieb Wystrychowski die besonderen Herausforderungen für systemrelevante Berufsgruppen.

Defizite bei Kindern weiter verstärkt

Die Pandemie wirke sich negativ auf alle Bereiche der kindlichen Entwicklung wie seelische Gesundheit, Ernährung oder Bildung, aus. Das bestätigte Referentin Britta Rude vom ifo Zentrum für Internationalen Institutionenvergleich und Migrationsforschung in München. Corona fungiere wie ein Brennglas und habe gesellschaftlich bereits vorhandene Problemlagen noch verstärkt.

Für geflüchtete Kinder, die hier 30 Prozent aller Asylerstanträge ausmachten, sei die Situation extrem belastend. Sie litten oftmals unter traumatischen Flucht- und Gewalterfahrungen, gebrochenen Bildungsverläufen, Bildungsrisikofaktoren, sprachlichen Barrieren und schlechteren Lernvoraussetzungen, was durch die Pandemie noch weiter begünstigt worden sei. Rude mahnte eine Reduzierung der Risikofaktoren und zielgerichtete Sozialschutzprogramme für Flüchtlingskinder an. „Sie brauchen eine entzerrte Wohnsituation, eine gute Infrastruktur und Lernausstattung sowie Bildung von Anfang an.“

Ältere Migranten oftmals benachteiligt

Die Auswirkungen der Pandemie auf ältere Menschen beleuchtete Laura Wehr vom Kompetenzzentrum „Zukunft Alter“ der Katholischen Stiftungshochschule München. Besonders die Lebenslagen älterer Migranten seien von sozialen Benachteiligungen geprägt. „Sie verfügen meist über niedrige Einkommen und Renten sowie ein geringeres Bildungsniveau und sind dadurch eher armutsgefährdet.“

Corona habe wegen der Sprachbarrieren, dem eingeschränkten Zugang zum Gesundheitssystem und der mangelnden sozialen Teilhabe die Situation auch in dieser Bevölkerungsgruppe verschärft. Wehr forderte daher unter anderem bedürfnisorientierte Deutschkurse, eine kultursensible Alten- und Krankenpflege und eine mehrsprachige Informationsvermittlung auf unterschiedlichen Kanälen.

Eltern stark belastet

Sigrid Stiemert-Strecker, Psychologin in der Caritas-Erziehungsberatung in München-Sendling, und Katrin Elvers vom kbo Kinderzentrum in München-Schwabing, referierten über die außerordentlichen Belastungen von Eltern in der Coronakrise. Depressionen, depressive Verstimmungen, Erschöpfungszustände, Angststörungen oder Panikattacken hätten stark zugenommen. Daher seien eine professionelle Begleitung und ein sicherer Rahmen, der Halt gibt, für überforderte Mütter und Väter unabdingbar. Zudem plädierten die Expertinnen dafür, dass Kitas, Schulen und andere Betreuungs- und Begegnungsorte für Kinder nicht mehr geschlossen werden. „Wir brauchen unbedingt mehr therapeutische Angebote im ambulanten, stationären und schulischen Bereich! Corona hat diesen Systemmangel noch verstärkt.“ (pm)

Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Corona - Pandemie