Meinung
IS zerstört Kulturgüter

Beten, dass Gott ihnen die Waffen nimmt

Immer mehr Kulturschätze fallen der willentlichen Zerstörung durch Kämpfer des IS-Regimes zum Opfer: Warum wir uns um die Vernichtung antiker Tempel weniger sorgen müssen, als um die zerrütteten Seelen, erklärt der Ägyptologe und Orientalist Stefan Jakob Wimmer.

Dr. habil. Stefan Jakob Wimmer ist Ägyptologe und Orientalist, Vorsitzender der Gesellschaft Freunde Abrahams und Vorstandsmitglied im „Münchner Forum für Islam (MFI)“. © MK

Unendlich viel mehr hat die Welt und namentlich Europa dem uralten Kulturraum Syrien zu verdanken, als antike Ruinenstätten. Ein ganzes Spektrum von Religionen und Konfessionen hat sich dort entfaltet und vorgeführt, dass es normal ist, verschieden zu sein – viele Jahrhunderte bevor das sogenannte „Abendland“ diesen Gedanken entdeckte. Gerade die islamischen Zivilisationen erlebten immer dann ihre Blütezeiten, wenn sie das Bestehende achteten und für Wertschätzung sorgten, wie an den Akademien von Bagdad, Cordoba usw. Genau das verlangt der Koran. Es ist die große Lebenslüge von „Fundamentalisten“ aller Religionen, dass sie gerade nicht nach den Fundamenten des Glaubens leben, sondern diese gar nicht oder furchtbar falsch verstehen.

Um die Ruinen von Palmyra müssen wir uns nicht so sehr sorgen, wie um zerrüttete Seelen, die so viel schwerer wieder aufgerichtet werden können, als zerstörte Tempel. Die antiken Stätten Syriens sind über die Jahrhunderte schon oft von barbarischen Horden überrannt worden. Die Geschichte des Orients lehrt, dass deren zerstörerisches Wüten nie von Dauer sein kann. Ob die Terrororganisation, die jetzt die Region quält, wirklich einen Staat errichten kann, wird sich erweisen. Dass sie niemals islamisch sein kann, haben Muslime weltweit deutlich erklärt, von übernationalen Gremien bis hin zu den Freitagspredigten – auch wenn unsere Medien diese Reaktionen für weit weniger berichtenswert erachten, als den Terror selbst. Nachdem dazu längst alles gesagt ist, meinte Imam Benjamin Idriz vom Münchner Forum für Islam unlängst: „Heute können wir nur noch beten zu Gott, dem Erbarmer und Barmherzigen, dass er denen, die Islam nicht verstehen, die Herzen öffnet zum Guten, ihr Denken und Tun auf die Wege der Vernunft leitet – und ihnen, wenn es sonst niemand tut, die Waffen aus der Hand nimmt.“