Normalerweise habe ich eine Liste mit vorbereiteten Fragen dabei, wenn ich mich für unsere Reihe „Über Gott und die Welt“ mit einer Persönlichkeit treffe. Nicht so bei Beatrice von Weizsäcker. Ich hatte gerade ihr Buch „Haltepunkte. Gott ist seltsam, und das ist gut.“ gelesen und war vom unkonventionellen Schreibstil derart beeindruckt, dass schnell klar war: Das wird anders. Kein gewöhnliches Interview, kein Abarbeiten von Fragen, sondern einfach Begegnung. Und schauen, was passiert. Als Ort für unser Gespräch wünschte sich die Autorin das Benediktinerkloster St. Ottilien in der schönen Ammersee-Gegend, das sie erst vor wenigen Jahren im Zuge von Exerzitien für sich entdeckt hat.
Ein Buch, das aus der Reihe tanzt
Bei der gemeinsamen Fahrt dorthin sprechen wir über ihr Buch, das sie mit dem befreundeten evangelischen Münchner Pastor Norbert Roth geschrieben hat. Es ist ein persönliches Glaubensbuch, in dem von Weizsäcker existenzielle Fragen und Nöte aus dem unmittelbaren eigenen Erleben heraus ins Wort bringt. „Eine Mischung aus Suchen und Ahnen“, nennt sie ihre Herangehensweise. Es sind keine zurechtgeschliffenen theologischen Thesen, sondern eher intuitive Gedanken, die sich wie im natürlichen Fluss aneinanderreihen – und berühren.
Wenn von Weizsäcker beschreibt, wie ihr beim Spaziergang durch St. Ottilien die Unergründlichkeit der Dinge klar wird, liest sich das zum Beispiel so: „Schritt – Atemzug – Gegenwart. Einatmen, lauschen. Ausatmen, staunen. Nichts müssen. Nichts wollen. Nichts wollen müssen. Nichts müssen wollen. Nichts wissen wollen, nichts wissen müssen. Nichts ergründen, nichts verstehen, schon gar nicht mich selbst. Nicht mehr reden. Nichts mehr denken. Nur schweigen, spüren, hören. Einatmen – ausatmen – aufatmen. Und sich beten lassen.“
Engagement beim Evangelischen Kirchentag
Die ausgebildete Juristin hat viel zu erzählen, allein schon aus ihrem ereignisreichen Lebenslauf. Nach einer Kindheit und Jugendzeit „in völliger geistiger Freiheit“ in prominentem Elternhaus – ihr Vater Richard war von 1984 bis 1994 Bundespräsident – gelangte sie über berufliche Stationen im Bonner und Berliner Politik- und Medienbetrieb nach München, wo sie sesshaft geworden ist. Zwei Brüder hat sie verloren: Andreas starb 2008 an Krebs, Fritz wurde 2019 ermordet. Sie war zwölf Jahre lang Mitglied im Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentags – und konvertierte 2020 zum Katholizismus.