Katholische Stiftungshochschule

Bachelor mit Handicap

Eine Studentin erzählt, wie sie trotz Einschränkungen an der Katholischen Stiftungshochschule Prüfungen schreiben und einen Abschluss machen kann.

Gute Adresse für Barbara Emmler: die katholische Stiftungshochschule. © Emmler

München/Benediktbeuern - Auf den ersten Blick unterscheidet Barbara Emmler nichts von anderen Studentinnen an der Katholischen Stiftungshochschule (KSH) München und Benediktbeuern. Und selbst auf den zweiten oder dritten Blick ist nicht zu erkennen, dass sie an Handicaps leidet. Vor neun Jahren erlitt die junge Frau einen schweren Autounfall mit Verbrennungen an den Beinen und starken Gehirnblutungen. Nach den langwierigen Behandlungen im Krankenhaus ging sie nicht in die Reha, sondern sofort wieder zur Arbeit in einem Sport-Studio, an Krücken. Berufsbegleitend studierte sie Fitness-Ökonomie, eine Mischung aus Sportwissenschaft und Betriebswirtschaft. Von daher wusste sie sehr genau, wie sie ihre Muskulatur wieder auf bauen konnte.

Unsichtbare Beeinträchtigungen

Was ihr nicht klar war: dass nach einem solchen Unfall das Gehirn ausgefallene Leistungsbereiche zunächst oft überkompensiert. So lange, bis es bei einer ständigen Überlastung kollabiert. Die heute 32-Jährige war zunächst geistesgegenwärtig wie eh und je. Bis sie nach einigen Monaten „mittags nicht mehr wusste, ob ich morgens gefrühstückt habe, mich nicht mehr an vertraute Wege erinnert habe und immer öfter schwere Wortfindungsstörungen hatte“. Am Arbeitsplatz reagierten Chefs und Kollegen hilflos. „Besonders schlimm war es, wenn wieder jemand sagte ,Babsi, du siehst doch gut aus, dir fehlt doch nichts‘.“ Dabei merkte sie, dass sie kaum noch schreiben konnte, ihr beim Sprechen oft keine Worte einfielen und sie nach wenigen Minuten vor dem Computerbildschirm nur noch verschwommen sah.

Sie gibt ihre Arbeit auf, ihre Mutter recherchiert im Internet, wo ihrer Tochter geholfen werden könnte. Barbara Emmler lernt mühsam wieder Lesen, Schreiben und Sprechen und ihre Einschränkungen zu akzeptieren. Allerdings nicht ganz. Als sie mit dem Studium der Sozialen Arbeit beginnt, glaubt sie, „das muss ich nun schaffen wie jeder andere auch“. Mit ihren kognitiven Handicaps funktioniert das aber nicht. „Ich habe mich am Anfang bei schriftlichen Prüfungen noch wie ein Grundschüler in ganz kurzen Sätzen ausgedrückt und bin trotzdem mit der Zeit nicht hingekommen.“ Ein Dozent spricht sie schließlich darauf an. „Der hat mir klargemacht, dass ich mit meinen Beeinträchtigungen auch Rechte habe.“ Und er verweist sie an die Behindertenbeauftragte der KSH.

Hochschule unterstützt

Die Studentin bekommt eine Prüfungszeitverlängerung, weil ihr das Schreiben und das Lesen noch immer schwerfällt. Ihre verpflichtenden Praktika kann sie auf einen längeren Zeitraum ausdehnen, „weil ich nicht mehr so belastbar bin“. Mehr als 20 Wochenstunden sind nicht drin. Dass sie mit ihrem Studium die richtige Wahl getroffen hat, daran hat sie trotzdem keine Minute gezweifelt: „Mir liegt Soziale Arbeit.“ Dank der zugestandenen Hilfen gelingt ihr das Studium ganz gut.

Nach acht Semestern wird sie es im kommenden Herbst mit ihrer Bachelorarbeit abschließen: „Ich habe einen Betreuer, der meine Geschichte kennt und mich engmaschiger und mit mehr Zeitaufwand als andere Studenten begleitet.“ Der eine oder andere Mitstudent reagiert darauf mit Unverständnis: „Die meisten finden es völlig in Ordnung, dass ich wegen meiner Einschränkungen den einen oder anderen Vorteil kriege“, berichtet Emmler, „aber einige sagen auch, warum bekommt die das, die hat doch nichts.“ Denn ihre Einschränkungen sind eben nicht so offensichtlich wie die eines Rollstuhlfahrers, der vor ein paar Stufen ohne Rampe steht.

Maximum an sozialer Teilhabe

An der KSH hat sie deshalb sogar kleine Seminare gegeben, um auf die vielen und oft unsichtbaren Barrieren aufmerksam zu machen, denen Menschen mit unterschiedlichen Handicaps immer wieder gegenüberstehen. Insgesamt hat sie mit den Inklusions-maßnahmen an der KSH „sehr gute Erfahrungen gemacht“. Hochschulpräsident Professor Hermann Sollfrank ist aber noch nicht ganz zufrieden: „Unsere Homepage ist zum Beispiel für Menschen mit visuellen Einschränkungen noch nicht ausreichend modifiziert.“ Das soll sich aber schon in den nächsten Monaten ändern.

Bei der Studienplatzvergabe und -zulassung kann er dagegen auf Sonderquoten, Härtefallregeln verweisen, „da haben wir einen deutlichen inklusiven Aspekt“. Und es bleibt der dauerhafte Anspruch, ein „Maximum an sozialer Teilhabe und ein Minimum an Diskriminierung in der Hochschulpraxis durchzusetzen“. Ganz so, wie es die UN-Behindertenrechts-konvention für alle Lebensbereiche fordert, die fast alle europäischen Staaten unterzeichnet haben. Die KSH hat sie schon an vielen Stellen umgesetzt. Barbara Emmler hat das nach ihrem Unfall geholfen, eine neue berufliche Perspektive zu finden. Nach ihrem Studium will sie in Teilzeit als Sozialpädagogin in einer Schule arbeiten.

Der Autor
Alois Bierl
Chefreporter Sankt Michaelsbund
a.bierl@michaelsbund.de