Münchner Architekturmuseum

Ausstellung zeigt Zusammenhang zwischen Architektur und Obdachlosigkeit

Auch durch die Corona-Pandemie ist die Zahl obdachloser Menschen gestiegen. Eine Ausstellung in der Pinakothek der Moderne lenkt den Blick auf die Möglichkeiten der Architektur, um Obdachlosigkeit entgegen zu wirken.

Obdachlosigkeit ist ein Problem weltweit und kann jeden treffen. © IMAGO / Sven Simon

München – „Wir möchten den Obdachlosen mit unserer Ausstellung eine Stimme geben“, betonte Professor Andres Lepis, der Direktor des Architekturmuseums in der Münchner Pinakothek der Moderne, bei der Pressekonferenz. Obdachlosigkeit, keine feste Wohnung zu haben und auf der Straße zu leben, dieser Zustand galt vielfach als selbst verschuldet. Nicht selten herrschte die Meinung vor, dass Menschen, die auf der Straße leben, sich nicht genug um eine Arbeit und ein festes Dach über dem Kopf bemühten.

Obdachlosigkeit kann jeden treffen

Durch die Pandemie hat sich diese Sichtweise verändert. Insolvenzen und Arbeitsplatzverlust kamen in diesen Zeiten wesentlich häufiger vor als vorher. Und sie haben gezeigt: Es kann auch meinen Nachbarn, meine Freunde oder sogar mich selbst treffen. Dies wird auch im Titel der neuen Präsentation im Architekturmuseum deutlich: „Who’s next? („Wer kommt als Nächster dran?“) Obdachlosigkeit, Architektur und die Stadt“.

„Während der Pandemie waren die Menschen so sehr mit sich selbst und den neuen Lebensumständen beschäftigt, dass diejenigen, die auf der Straße leben, weitgehend aus dem Fokus gerieten“, beklagt Lepis. Inzwischen ist deutlich geworden, dass die Corona-Pandemie die Situation weiter zugespitzt und zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem hat werden lassen.

Problem in Europa und weltweit

Und dieses Problem existiert inzwischen weltweit. Fast schon gewohnt sind wir Bilder von riesigen Siedlungen in Lateinamerika, Asien oder Afrika, in denen Millionen Menschen ohne Wasser und Strom in Wellblechhütten oder Pappkartons leben. Oder auch Fernsehbilder aus den USA von obdachlosen Menschen, die vor dem Kapitol der kalifornischen Hauptstadt Sacramento kampieren. Diese Bilder suggerierten, dass dieses Problem weit weg von uns existierte.

Die Ausstellung „Who’s next? Obdachlosigkeit, Architektur und die Stadt“ im Architekturmuseum in der Münchner Pinakothek der Moderne, Barer Straße 40, wird noch bis Sonntag, 6. Februar, gezeigt. Sie ist geöffnet dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr. Weitere Informationen zur Ausstellung finden Sie im Internet unter www.architekturmuseum.de

Inzwischen hat es aber auch Europa und Deutschland erreicht. Geschätzte 41.000 Menschen leben in der Bundesrepublik auf der Straße, in Gesamteuropa sind es etwa drei Millionen. Verschärft wird diese Situation noch durch die Tatsache, dass Wohnungseigentum gerade in den Städten kaum noch bezahlbar ist.

Wohnen ist Grundrecht

An der Wand vor dem Eingang zum Architekturmuseum steht der Begriff„Obdachlose“ in den 24 Amtssprachen der EU. So wird deutlich: Obdachlosigkeit betrifft ganz Europa. In den Ausstellungsräumen wird anhand von beispielhaften Städten weltweit aufgezeigt, wie die Anzahl von Menschen ohne festen Wohnsitz stetig gestiegen ist, darunter deutsche Städte wie München, Hamburg, Düsseldorf. Aber auch internationale Metropolen wie Los Angeles, Tokio, Moskau und Mumbai.

„Obdachlosenschicksale haben mit unserer Gesellschaft zu tun. Wohnen ist ein Grundrecht des Menschen“, betont Lepik. Die Architektur kann das Problem der Wohnungslosigkeit nicht allein lösen, sie kann aber Einfluss darauf nehmen. Sie kann Verantwortung übernehmen, indem sie gute Unterkunftslösungen anbietet. Dies möchte die Ausstellung deutlich machen.

Verständnis für Obdachlosigkeit

Anhand einer Auswahl von Obdachlosenunterkünften in Deutschland, Österreich und der Schweiz wird aufgezeigt, wie man Menschen ohne festen Wohnsitz ein menschenwürdiges Zuhause bieten kann. Ein weiteres interessantes Exponat in der Ausstellung ist ein Stadtplan von München im Maßstab 1:20.000, der aufzeigt, wo es in der Landeshauptstadt Unterkünfte, Versorgung, Verpflegung und Betreuung für Menschen ohne festen Wohnsitz gibt.

Historische und neue Dokumentarfilme sowie eine eigens für die Ausstellung eingerichtete Bibliothek tragen zum Verständnis von Obdachlosigkeit und den damit verbundenen Problemen bei. Insgesamt eine vielschichtige, sehenswerte Präsentation, die zum Nachdenken anregt. (Dr. Petra Altmann, Buchautorin und Journalistin)