Aktionswoche

Auch Kirchengemeinden können noch demenzsensibler werden

Menschen mit Demenz stehen im Mittelpunkt der bundesweiten ökumenischen "Woche für das Leben" der beiden großen Kirchen. Sie findet unter dem Leitwort "Mittendrin. Leben mit Demenz" vom 30. April bis 7. Mai statt.

Die "Woche für das Leben" stellt Demenz in den Vordergrund. © pikselstock - stock.adobe.com

Bonn – Oft jahrzehntelang haben sie sich in ihrer Gemeinde engagiert, waren im Kirchenchor, haben den Adventsbasar organisiert oder für das Pfarrfest Kuchen gebacken. Bei einer einsetzenden Demenzerkrankung ziehen sich die einst so Aktiven oft zurück. Doch wie sollen Gemeinden mit ihren an Demenz erkrankten Pfarrangehörigen umgehen? Die ökumenische "Woche für das Leben" rückt sie in diesem Jahr in den Blick.

Mit Demenz am Gemeindeleben teilnehmen

Im Stadtdekanat Köln wurde bereits vor zehn Jahren das Projekt "Dabei und mittendrin - Gaben und Aufgaben demenzsensibler Kirchengemeinden" ins Leben gerufen. Ziel der ökumenischen und auf drei Jahre befristeten Initiative war es unter anderem, dass Betroffene am Gemeindeleben teilhaben können. Obwohl das Projekt längst ausgelaufen sei, beobachtet Elmar Trapp, im Erzbistum Köln zuständig für die Altenheimseelsorge, weiter reges Interesse. "Es gibt noch immer Nachfragen aus ganz Deutschland und dem deutschsprachigen Ausland."

Trapp besucht regelmäßig Menschen mit Demenz. Für ihn ist das biblische Wort "Was willst Du, das ich Dir tue?" (Lk 18,41) dabei eine Orientierung. Wichtig ist ihm, "den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen, sich ihrem Tempo anzupassen und sie nicht zuzutexten". Kirchengemeinden seien herausgefordert, diese Menschen ernstzunehmen, wertzuschätzen und ihnen zuzuhören, was sie wirklich bräuchten, statt sie zu "bepredigen".

 "Vergiss-mein-nicht"-Gottesdienste für Demenzbetroffene und Angehörige

Ihrer Zeit voraus ist auch die 2012 gegründete Fachstelle Demenz im Erzbistum München und Freising - die bislang einzige ihrer Art im ganzen deutschsprachigen Raum. Maria Kotulek ist dort als Fachreferentin für Demenz eingestellt, schult Seelsorgende und hat Handreichungen entwickelt. Ob die Erkrankung in den Gemeinden wahrgenommen wird, hängt nach ihrer Beobachtung davon ab, "wie wichtig den Haupt- und Ehrenamtlichen das Thema ist".

Im Erzbistum werde derzeit die Seniorenpastoral umstrukturiert und in größeren Sozialräumen gedacht. Das sei auch eine Chance, die Sensibilität für das Thema weiter zu "pushen". Dabei geht es aus ihrer Sicht eher um eine bestimmte Einstellung gegenüber Menschen mit Demenz als um besondere Angebote für sie. Letztendlich sollten sie an jeder Veranstaltung teilnehmen können.

Kotulek bietet zudem spezielle "Vergiss-mein-nicht"-Gottesdienste an, eine Idee der Alzheimergesellschaft, die sie für das Bistum übernommen hat. Ein wichtiges Element sei der abschließende Einzelsegen: "Das ist für die Menschen etwas ganz Wertvolles, das sie noch aus ihrer Kindheit von den Eltern kennen und sonst kaum noch erleben". Dieser Segen tue auch den Angehörigen gut, die sich in ihrer persönlichen, oft belastenden Situation gesehen und angesprochen fühlten. Um sie zu unterstützen, hat Kotulek gerade den DemenzGuide mit auf den Weg gebracht, eine ökumenische App zur Unterstützung von Angehörigen demenzkranker Menschen.

Vielfältiges Programm für Menschen mit Demenz

Auch im Erzbistum Freiburg ist das Thema auf dem Schirm, erklärt Theresa Betten, stellvertretende Leiterin des Referats Inklusion-Generationen. So habe es in diesem Frühjahr eine dreiteilige Reihe gegeben, an der über 360 Personen teilgenommen hätten. Das Erzbistum veranstaltet fast parallel zur "Woche für das Leben" rund um den Internationalen Tag der Inklusion am 5. Mai eine eigene Aktionswoche, bei der es auch um Demenz geht.

Auch der evangelischen Kirche ist das Thema ein Anliegen, das mitunter sehr kreativ angegangen wird. Ein Beispiel ist das bereits 1999 ins Leben gerufene "Geistliche Zentrum für Menschen mit Demenz und Angehörige" des evangelischen Kirchenkreises Tempelhof-Schöneberg. Unter anderem auf dem Programm stehen Besuche mit dem Leierkasten, ein monatliches Tanzcafe, Innenhof-Mitsingkonzerte und ein "Alzheimer-Salon", in dem demenziell erkrankten Talenten für ihr künstlerisches Können eine Bühne geboten wird - außerdem spirituelle Angebote.

Würde im Alter

In einigen evangelischen Gemeinden gebe es - wie in Berlin - schon seit mehr als zehn Jahren "regelmäßige anschauliche, sinnliche und stärkende Gottesdienste und andere Angebote für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen", sagt Anita Christians-Albrecht, Pastorin und Beauftragte für Altenseelsorge in Hannover; bei anderen beginne die Auseinandersetzung mit dem Thema erst. Wichtig ist aus Sicht der Seelsorgerin, dass Menschen, die mittelbar oder unmittelbar von dieser Krankheit betroffen sind, "nicht allein gelassen werden und sich auch weiterhin als Teil der Gemeinde und Gemeinschaft erleben". Es gehe um Teilhabe für demenziell Erkrankte, ihre Familien und Freunde - ob im Gottesdienst, Kirchenchor oder beim Seniorenkreis.

"Am Thema Demenz zeigt sich, ob unser Reden über Würde im Alter tragfähig ist", findet die Pastorin. Vor allem aber geht es für sie um eine wertschätzende Haltung, den Demenzerkrankten in seiner eigenen Welt zu begleiten. Um sich noch mehr auf diese für viele so befremdliche Welt einzulassen, soll es nicht bei der "Woche für das Leben" bleiben. In der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers wird das ganze Jahr 2023 unter dem Motto Demenz stehen. (kna)

Angebote zur „Woche für das Leben“ im Erzbistum München und Freising

Am Dienstag, 3. Mai, um 19 Uhr wird bei der Veranstaltung „Was soll der Schlüssel im Kühlschrank? Wenn Angehörige dement werden“ in der Evangelischen Stadtakademie München (Herzog-Wilhelm-Straße 24) die App „DemenzGuide“ vorgestellt. Im Anschluss diskutieren der bayerische Staatsminister für Gesundheit und Pflege, Klaus Holetschek (CSU), die Vorständin des Diözesan-Caritasverbandes der Erzdiözese, Gabriele Stark-Angermeier, und die Leiterin der Fachstelle Spiritualität – Palliative Care – Ethik – Seelsorge der Diakonie München und Oberbayern, Dorothea Bergmann, auf dem Podium. Die Veranstaltung wird hybrid ausgerichtet. Die Anmeldung zur Teilnahme in Präsenz oder online ist möglich unter Telefon 089/549027 oder auf der Internetseite www.evstadtakademie.de

Generalvikar Christoph Klingan und Regionalbischof Christian Kopp feiern am Freitag, 6. Mai, um 14 Uhr im Münchner Dom einen ökumenischen Vergiss-mein-nicht-Gottesdienst unter dem biblischen Motto „Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir!“. Dieser Gottesdienst mit bekannten Liedern und klarem, straffem Ablauf richtet sich gezielt an Menschen mit Demenz, ihre Angehörigen, Pflegenden und Freunde. Im Anschluss wird zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Die Anmeldung dazu ist möglich unter Telefon 089/2137-74306, auf der Website der Seniorenpastoral oder per E-Mail an: MKotulek@eomuc.de. Der Gottesdienst live wird im Internet übertragen.

Eine Vortragsreihe zum Thema „Das Vergessen verstehen lernen – Umgang mit Demenz“ findet ab 4. Mai an drei aufeinanderfolgenden Mittwochabenden von 18 bis 20.30 Uhr im Rosenheimer Pfarr- und Familienzentrum Christkönig (Kardinal-Faulhaber-Platz 7) statt. Referent ist der Sozialpädagoge Markus Reimann vom Caritas-Zentrum Rosenheim. Anmeldung unter Telefon 08031/23072-10 oder online unter www.bildungswerkrosenheim.de.

„Basiswissen Demenz“ vermittelt die gleichnamige Vortragsreihe am Donnerstag, 5., 12. und 19. Mai, sowie am Mittwoch, 25. Mai, von 17 bis 19 Uhr im Seniorenzentrum des Landshuter Netzwerks (Bahnhofplatz 1a). Anmeldung unter Telefon 0871/96367-141 oder per E-Mail: seniorenzentrum@landshuter-netzwerk.de.

„Wohnen daheim – trotz Demenz“ lautet das Thema eines Abends mit Markus Heberle von der Longleif Wohnberatung und der Pflegewissenschaftlerin Manuela Loder am Donnerstag, 5. Mai, von 18 bis 19.30 Uhr im Longleif Living plus in Garmisch-Partenkirchen (Bahnhofstraße 37, 3. Stock). Anmeldung unter Telefon 08821/58501 oder online unter www.kreisbildungswerk-gap.de.

„Überlebenstipps für Elternkümmerer“ gibt Autorin, Angehörigencoach und Demenzberaterin Petra Wieschalla am Freitag, 6. Mai, von 19 bis 21 Uhr im Fürstenfeldbrucker Pfarrheim St. Bernhard (St.-Bernhard-Straße 2). Anmeldung unter Telefon 08141/44994 oder unter www.brucker-forum.de.

Im Caritas-Zentrum Rosenheim (Reichenbachstraße 5) treffen sich regelmäßig Gruppen, die sich speziell an den Bedürfnissen Demenzkranker orientieren. Derzeit gibt es freie Plätze in der Memorygruppe (montags von 13.45 bis 16.15 Uhr) und der Frühstücksgruppe (donnerstags von 9 bis 12 Uhr). Pflegende Angehörige können diese Zeit für sich nutzen. Das Angebot kann über die Entlastungsleistungen der Pflegekassen abgerechnet werden. Anmeldung bei Rosa Schnitzenbaumer, Telefon 08031/ 2037-23.