Verhütung

60 Jahre Antibabypille in Deutschland

Die Einführung der Antibabypille 1961 in Deutschland hat das Leben von Frauen massiv verändert. Dem hormonellen Verhütungsmittel stand jedoch damals wie heute nicht jeder positiv gegenüber.

Von der Kirche verdammt, von vielen Frauen gefeiert - die Antibabypille. © thingamajiggs - stock.adobe.com

Bonn – Auch wenn ihr heute viele Frauen deutlich skeptischer gegenüberstehen, revolutionierte ihre Einführung vor 60 Jahren die weibliche Sexualität grundlegend. Die Rede ist von der sogenannten Antibabypille, im Volksmund auch einfach "die Pille" genannt. Im Sommer 1960 brachte die US-Firma Searle & Co. das erste Präparat zur hormonellen Empfängnisverhütung, "Enovid", auf den Markt. Ab dem 1. Juni 1961 war das Verhütungsmittel auch in Deutschland erhältlich. Viele Frauen feierten diese Entwicklung, doch es regte sich auch Widerstand.

Empfängnisverhütung als Nebenwirkung

1961 kam das Kontrazeptivum, das aus dem Schwangerschaftshormon Progesteron und dem weiblichem Hormon Östrogen bestand, unter dem Namen "Anovlar" in der Bundesrepublik auf den Markt - zunächst als Mittel gegen Menstruationsbeschwerden und nur für verheiratete Frauen, die bereits mehrere Kinder hatten. Die empfängnisverhütende Wirkung wurde im Beipackzettel als Nebenwirkung aufgelistet. Für die meisten Frauen war die Pille also zunächst entsprechend schwer zu bekommen, zumal nur wenige Ärzte sie verschrieben.

Selbstbestimmtheit und Geburtenrückgang

Viele konservative Mediziner standen ihr auch höchst kritisch gegenüber. In der sogenannten Ulmer Denkschrift von 1964 warnten hunderte Ärzte, dass es verheerende Folgen hätte, wenn die Liebe folgenlos bliebe. Auch die neue Selbstbestimmtheit der Frau, die mit der Einführung der Pille einherging, gefiel nicht jedem.

Oft wurde auch von einem "Pillenknick" gesprochen - die Pille also für den Einbruch der Geburtenrate in Westdeutschland verantwortlich gemacht. Nach heutigem Kenntnisstand sind jedoch weder die Pille noch die sexuelle Befreiung Ende der 1960er-Jahre alleine für den Geburtenrückgang verantwortlich. Hinzu kam vielmehr die veränderte Lebensweise der Menschen: Der zunehmende Wohlstand verstärkte das Streben nach Selbstverwirklichung und Autonomie.

Der "Pillen-Papst"

Neben Ärzten und konservativen Politikern wehrte sich auch die katholische Kirche gegen die Einführung dieses Verhütungsmittels. In seinem Schreiben "Humanae Vitae" verurteilte der damalige Papst Paul VI. 1968 die Geburtenkontrolle durch künstliche Verhütungsmittel. Er betonte die Untrennbarkeit von Geschlechtsverkehr und Fortpflanzung: "Ihrem Wesen nach ist die eheliche Liebe auf die Weitergabe und den Erhalt menschlichen Lebens ausgerichtet." Seine ablehnende Haltung brachte ihm auch den Beinamen "Pillen-Papst" ein.

Erst als die Vereinten Nationen 1968 das Recht auf Familienplanung proklamierten und mehr Studienergebnisse vorlagen, lockerten zumindest die deutschen Ärzte ihre ablehnende Haltung. Seitdem nutzten immer mehr Frauen in Deutschland die Pille zur Empfängnisverhütung, zum Schutz vor ungewollten Schwangerschaften und zur besseren Planung ihrer Kinderwünsche. Das führte dazu, dass Frauen allgemein unabhängiger wurden und sich zunächst Zeit für Ausbildung und Beruf nahmen.

Beliebtestes Verhütungsmittel

Noch heute ist die Pille das beliebteste Verhütungsmittel in Deutschland. Wobei mit "die Pille" mittlerweile meist eine sogenannte Mikropille gemeint ist. Statt Progesteron und Östrogen setzt sie sich aus dem Gelbkörperhormon Gestagen sowie Östrogen zusammen und enthält deutlich weniger Hormone. Laut einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Januar verhüten 47 Prozent der 18- bis 49-Jährigen mit der Pille, sechs Prozent weniger als noch 2011.

Überproportional stark nahm laut dem Bericht die Nutzung der Pille bei den 18- bis 29-Jährigen ab - um 16 Prozentpunkte auf 56 Prozent. Dagegen stieg unter jüngeren Erwachsenen der Anteil derer, die mit dem Kondom verhüten - um 7 Prozentpunkte auf 58 Prozent.

Nebenwirkungen in der Kritik

Das könnte mit der öffentlichen Debatte um die Nebenwirkungen in den vergangenen Jahren zusammenhängen. Vor allem Pharmahersteller Bayer stand in der Kritik, nicht ausreichend auf verheerende Nebenwirkungen seiner Pillen-Präparate wie Thrombosen, Lungenembolien und Schlaganfälle hinzuweisen. In der Öffentlichkeit wandelte dieser Skandal das Bild der Pille - vom einst befreienden "Gleichberechtigungsbringer" zum "gefährlichen Hormon-Hammer". Auch in der aktuellen Impfdebatte wird die Pille immer wieder als möglicher Risikofaktor erwähnt, wenn es um die Gefahr von Nebenwirkungen bei bestimmten Impfstoffen geht. (kna)