Warum es jahrhundertelang im Münchner Norden eine Art Staatsgrenze gegeben hat, wie ein Kardinal vier politische Systeme erlebt hat, wie starke katholische Frauen das Land verändert haben oder wie nicht nur die Nierentischchen in den Wohnzimmern, sondern auch Volksaltäre und moderne Kunst in den Kirchen Einzug hielten - damit befasst sich der neue Podcast "12 Momente aus 200 Jahren". Die monatlich erscheinenden Folgen stellen Menschen, Orte und Dinge aus der Geschichte der Erzdiözese München und Freising vor.
Die Errichtung der von der Bevölkerungs- und Katholikenzahl her größten bayerischen Diözese wurde 1821 vollzogen. Im Münchner Dom erinnert heute noch eine Marmortafel mit goldenem Schriftzug an die Neuordnung der bayerischen Bistümer. Nirgendwo führte sie zu so umwälzenden Veränderungen wie in Oberbayern, die heute noch fortwirken.
Führungsrolle in Bayern
So sind vor 200 Jahren zum Beispiel die Bistumsgrenzen neu gezogen worden. Etwa die Hälfte des Seelsorgegebietes gehörte zuvor zum Erzbistum Salzburg. Die Pfarreien rechts des Inns sind fast alle von dort aus verwaltet worden. Noch heute ist das im anderen Baustil und teilweise auch im Baumaterial der Kirchen zu erkennen. Durch den Bischofssitz in der Hauptstadt München hat das Erzbistum zudem eine Führungsrolle in Bayern erhalten. Während zuvor Freising nur zu den kleinen und wenig mächtigen Bistümern im deutschen Sprachraum gehörte. Dessen über 1.000-jährige Tradition war aber doch so bedeutend, dass der Papst bei den Verhandlungen mit der Bayerischen Regierung auf den Namen München und Freising für das neue Erzbistum bestand.
Die erste Folge des neuen Podcasts trägt den Titel "Wie alles aufhörte und begann". Um das Jahr 1800 waren Bistümer auch eigene Staats- und Herrschaftsgebilde mit einem eigenen Territorium, das allerdings nicht deckungsgleich mit dem Seelsorge- und kirchlichen Verwaltungsgebiet war. Zu diesen sogenannten Fürstbistümern oder Hochstiften zählte auch Freising. Nach zähen Verhandlungen mit den päpstlichen Behörden in Rom holten die bayerischen Könige den altehrwürdigen Bischofsstuhl in ihre Hauptstadt und vergrößerten das Seelsorgegebiet erheblich.
Gemeinsamkeiten mit der Gegenwart
Katholiken, Priester und Pfarreien für die zuvor der Salzburger Erzbischof zuständig war, gehörten nun zum neu errichteten Erzbistum München und Freising. Die bis zur Säkularisation von 1803 vor allem von Klöstern geleistete Seelsorge ging immer stärker auf Diözesanpriester über. „An vielen Stellen der Erzdiözese war eine Neuorganisation der Pfarreien notwendig, das ist gar nicht so unähnlich mit den heutigen Pfarrverbandsgründungen und Veränderungen in den Seelsorge-Strukturen“, erklärt Roland Götz.
Der Kirchenhistoriker und Mitarbeiter im Archiv der Erzdiözese ist Gesprächspartner in der ersten Folge von "12 Momente aus 200 Jahren". Der neue Podcast richtet sich vor allem an Hörer, die gerne Geschichte und Geschichten hören. An manchen Stellen kann er vielleicht auch Mut machen. Denn viele Veränderungen und Fragen in der Kirche von heute, etwa die Errichtung von Pfarrverbänden, Strukturreformen, Angst vor Bedeutungslosigkeit des Glaubens, hat es so ähnlich auch in den vergangenen 200 Jahren immer wieder gegeben. Der Blick auf die Geschichte kann Hoffnung machen, dass solche Krisen auch heute wieder gemeistert werden können.