„Ich kenne eine Reihe von Menschen, die sonntags arbeiten müssen und darunter leiden. Was nützt es denn, wenn man am Montag zum Skifahren gehen kann? Dann ist die Piste ziemlich leer, aber man muss alleine dorthin, weil alle anderen am Sonntag freihatten.“ Christian Bindl, Leiter der Betriebsseelsorge in der Erzdiözese München und Freising, greift auf ein Beispiel zurück, das er in Gesprächen öfter zu hören bekommt. Menschen, die regelmäßig an Sonntagen arbeiten müssten, hätten auch in pandemiefreien Zeiten häufig Probleme damit, Freundschaften zu pflegen und Zeit mit ihren Familien zu verbringen. Das gelte auch für das religiöse Leben, denn „den Gottesdienst kann man nicht alleine feiern“, betont Bindl.
Der Betriebsseelsorger steht Bestrebungen zur Aufweichung des Sonntags sehr kritisch gegenüber. Natürlich müsse es Ausnahmen vom Sonntagsschutz geben, etwa bei der medizinischen Grundversorgung, in den Bereichen Sicherheit, Notdienste und Mobilität sowie bei Sport-, Kultur- und Freizeitangeboten. „Aber es ist absolut unnötig, dass etwa der Einzelhandel am Sonntag verkauft.“
Verkaufsoffene Sonntage nutzen nur den Großen
Eine Gefährdung des freien Sonntags nimmt auch Philip Büttner wahr, der wissenschaftlicher Referent beim Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (kda) der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern ist. „Der Schutz des Sonntags wird durch den Grundgesetz-Artikel 140 garantiert, aber es gibt immer neue Versuche, ihn auszuhöhlen, gerade auf kommunaler Ebene. Dabei ist allen klar, dass verkaufsoffene Sonntage nur den Großen der Branche nutzen, nicht aber den kleinen Familienbetrieben“, betont Büttner, der sich für den kda ebenfalls in der „Allianz für den freien Sonntag“ engagiert.

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Papst-Papier "Dies Domini"
Die Sonntagsruhe gerät öfter in Vergessenheit
Vor 25 Jahren erinnerte Papst Johannes Paul II. mit «Dies Domini» an den Sinn der Sonntagsruhe. Auf dem Papier ist diese in Deutschland verfassungsrechtlich geschützt - die Realität ist aber längst eine andere.